VÖGB-Skriptum “Mach dich stark als Betriebsrat, bilde Macht“

Ein neues VÖGB Skriptum für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit

In einem neuen Band der VÖGB-Skripten zur Praktischen Gewerkschaftsarbeit wird die Bildung von Gegenmacht zum Thema für die künftige Ausrichtung der Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit gemacht.

In einer fiktiven Geschichte, die jederzeit aus dem betrieblichen Leben gegriffen sein könnte, wird der spannende Weg nachgezeichnet, wie es ein neu aufgestelltes Betriebsratsteam gemeinsam mit der Gewerkschaft schafft – initiiert durch eine Bildungsklausur – zu einem gut organisierten und schlagkräftigen Machtfaktor im Betrieb zu werden.

Diese Broschüre richtet sich an ein vielfältiges Publikum in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit von Gewerkschaftsschulen über neue Belegschaftsvertreter/innen bis hin zu politisch interessierten Gewerkschaftsmitgliedern. Viele methodische Hinweise und Hintergrundinfos wollen betriebliche Interessenvertreter/innen ermutigen, den gleichen Weg einzuschlagen.

Hier ist das Skriptum “Mach dich stark als Betriebsrat, bilde Macht! Eine Geschichte für starke Betriebsräte/innen” downloadbar bzw. zu bestellen.

Warum dieses Skriptum?

Die Gewerkschaftsgeschichte war immer auch eine Frage von Macht und Gegenmacht. Gewerkschaftlicher Bildungsarbeit kam dabei stets eine wesentliche organisationspolitische Bedeutung zu. Im Zuge jahrzehntelanger sozialpartnerschaftlicher Strukturen folgte auch die Bildungsarbeit von ÖGB, Gewerkschaften und AK in hohem Maß der Organisationslogik, wonach Interessenkonflikte und Verteilungsfragen besser am Verhandlungstisch, statt auf der Straße zu lösen sind. Im Zentrum stand daher lange die Ausbildung engagierter Betriebsräte/innen zu kompetenten AnwältInnen ihrer Belegschaften. Es dominierte die fachliche und rechtliche Schulung, die Ausbildung zur Gegenmacht nahm eine eher geringe Rolle ein.

Das sollte sich ändern: gesellschaftliche und politische Veränderungen sowie der Einzug neoliberaler Wirtschaftsgedanken führten zunehmend zu neuen Arbeitsrealitäten und zur Abnahme sozialpartnerschaftlicher Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten. In Regierungs-, wie auch Wirtschaftskreisen mehrten sich Stimmen, „den österreichischen Weg“ mit seinem gewachsenen und breit getragenen sozialpartnerschaftlichen Grundverständnis zu verlassen. Spätestens mit Antritt der neuen rechts-konservativen Regierungskoalition sahen sich ÖGB und Arbeiterkammern im Jahr 2018 einer offenen Kampfansage und Angriffen auf historische Errungenschaften gewerkschaftlicher Arbeit ausgesetzt.

Bewährte Säulen des österreichischen Sozialstaates wurden regierungsamtlich in Frage gestellt, so etwa auch die Arbeiterkammern und Einrichtungen der sozialen Selbstverwaltung, in denen die Arbeitnehmervertretungen traditionell hohen und rechtlich abgesicherten Einfluss hatten. Entsprechende politische Initiativen folgten auf dem Fuß: Die Änderung des Arbeitszeitrechts (Stichwort: 12-Stunden-Tag/60-Stunden-Woche) war nur ein Mosaikstein im Gesamtkonzept einer wirtschaftsliberalen Politik. Weitere Gesetzesinitiativen folgten, etwa zur Zusammenlegung von Sozialversicherungen, inkl. Entmachtung der Arbeitnehmervertretungen. Vorweg gab es keinerlei Verhandlungen mit ÖGB und AK. Die Arbeitnehmervertretungen wurden schlicht ignoriert.

ÖGB-Strategieprozess: Gegenmacht

Gegenmacht

Vor diesem Hintergrund war es für den ÖGB und die Gewerkschaften notwendig, sich für diese „Kampfansage“ zu rüsten und ihr Repertoire zu erweitern. Um Durchsetzungskraft in Wirtschaft und Gesellschaft, v.a. aber auch in den Betrieben zu erhalten, galt es neben dem klassischen sozialpartnerschaftlichen Handlungsmuster neue strategische Wege einzuschlagen. In diesem Sinn formulierte der ÖGB-Vorstand 2019:

„Für die Durchsetzung der gewerkschaftlichen Ziele bereiten wir die Organisation (Betriebsräte/innen, Mitarbeiter/innen, Funktionäre/innen und Mitglieder) sowohl auf Verhandlungsprozesse wie auch auf mögliche Arbeitskämpfe vor. Zu diesem Zweck wollen wir stärker denn je auf allen Ebenen kampagnenfähig werden“.

Der künftige Weg dazu: Wo möglich und angebracht verhandlungsfähig und abschlussorientiert zu sein, wo notwendig und gefordert aber auch kraftvoll und effektiv gegenmachts- und kampagnenfähig zu sein.

Es geht um die Wiederbelebung solidarischen Machtbewusstseins sowie um die Stärkung der Durchsetzungs- und Konfliktfähigkeit der Kolleg/innen gegenüber der Unternehmensleitung im Betrieb, aber auch zur Umsetzung gewerkschaftspolitischer Anliegen und Aktivitäten bis hin zur Mitgliedergewinnung und Mobilisierung.

Weiterführende Informationen

  • Leitbild des ÖGB „ERMÄCHTIGUNG. GEGEN – MACHT – BILDEN“
    Im Fokus der Ermächtigung zur Wahrnehmung kollektiver Gegenmacht als Grundlageninformation für ReferentInnen und TrainerInnen in der gewerkschaftlichen Bildung. Hier zum Downloaden.
  • VÖGB-Skriptenbank
    Sich auf einen Lehrgang vorbereiten, das Wissen über gewerkschaftlich relevante Themen aneignen und vertiefen … mit den Skripten von VÖGB und AK kein Problem! Diese werden von ExpertenInnen verfasst, didaktisch aufbereitet und laufend aktualisiert. Alle Skripten hier zum Downloaden.

Fotoworkshop: Mit dem Objektiv in die Gesellschaft blicken (WS)

Wir nutzen die Kraft der Bilder, um Widersprüche in unserer Gesellschaft festzuhalten.

Worum geht’s: Brennende Gewerkschaftsthemen wie „Arm und Reich“, „35-Stunden-Woche und 12-Stunden-Tag“, „Prekäre Arbeit“ oder etwa „Obdachlosigkeit versus Luxuswohnungen“ durch die Perspektive einer Kamera betrachten.

Wir versuchen an diesem Tag Impressionen zu diesen Themen zu sammeln, sie sichtbar zu machen und darzustellen. Wir öffnen unseren Blick auf die gewerkschaftliche Dimension der Themen.  Ein gesellschaftspolitischer Beitrag mit Bildern.

„Ich habe keine besonderen Begabungen, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“
Albert Einstein

Termin: 07. Oktober 2020 von 09:00 bis 17:00 Uhr
Ort: GPA-djp, Alfred Dallinger Platz 1, 1030 Wien, Seminarraum 3K4/3K3 im 3. Stock
Zielgruppe: BetriebsrätInnen, die Mitglieder der GPA-djp sind

In diesem Workshop arbeiten wir mit mehreren Teams. Du wählst aus mehreren Angeboten jenes Thema aus, das du fotografisch erkunden willst. Wir zeigen dir Methoden der inhaltlichen Aufbereitung, der Motivauswahl und wie du deine Botschaften, die du erblickt und fotografiert hast, dokumentierst.

Es gibt Tipps zum Fotografieren und was dabei im öffentlichen Raum beachtet werden muss. Jedes Team gestaltet ein Bild, eine Collage oder Dokumentation, die bei einer Vernissage in der GPA-djp zu einem späteren Zeitpunkt gezeigt werden.

Teilnahmevoraussetzung: Eigene Kamera oder Handy mit Kamera

Seminarziele: Weiterlesen

Zum Nachdenken: Gewerkschaftspolitische Überlegungen zur Corona-Krise

von Wolfgang Greif, Leiter der Bildungsabteilung in der GPA-djp

1.) Zur Rolle der Gewerkschaften in und nach der Corona-Krise: kurzfristige Krisenfeuerwehr
oder nachhaltiges Revival?

Die Corona-Pandemie ist ohne Zweifel eine Ausnahmesituation von historischer Dimension mit derzeit kaum abzuschätzenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen. Die aktuellen Umbrüche werden auch nicht ohne Wirkung für die Gewerkschaften bleiben.

Zwar kehrt im Klima des Corona-bedingten ‚nationalen Schulterschlusses‘ die vor gar nicht allzu langer Zeit von Schwarz/Blau regierungsamtlich zum Abschuss freigegebene Sozialpartnerschaft wieder in die politische Arena zurück. Als Krisenfeuerwehr sind Gewerkschaften v.a. am Arbeitsmarkt in der wirtschaftlichen und sozialen Krise in Wirtschaft und Politik rasch anerkannt. Doch vor früher Euphorie sei gewarnt: Gewerkschaftliche Gegenmacht ist demgegenüber ‚virusbedingt‘ derzeit weitgehend eingefroren und bei so manchen wohl auch weniger geschätzt.

In welche Richtung das ‚post-coronale‘ Pendel ausschlagen wird, das wird sich ganz wesentlich nach Corona entscheiden, im anstehenden Wiederaufbau- und Restrukturierungsprozess. Hier wird sich zeigen, ob die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft, Wirtschaft und Regierung in der Krise auch ‚am Tag danach‘ überlebt: bei der Schuldentilgung, in der Steuerpolitik, bei den kommenden Gehaltsrunden, bei der Absicherung Arbeitsloser, bei der Mitgestaltung betrieblicher Arbeitswelten und vor allem auch bei den heftigen Verteilungsdebatten, wenn es um die Frage geht: wer all die Rettungspakete bezahlen soll. Weiterlesen