VideoCalls im Lockdown zwischen home office und Betrieb – Teil II

Fortsetzung des Teils I zu VideoCalls im Lockdown zwischen home office und Betrieb, in dem es um einige grundlegende Rahmenbedingungen, Hürden und Kriterien ging. Wie angekündigt, wird es in diesem Teil II um verschiedene Anbieter gehen.

Den meisten ein Begriff ist Skype. Gute fünfzehn Jahre alt, seit bald zehn Jahren im Besitz von Microsoft, haben viele von uns Skype irgendwann schon privat verwendet. In einigen Betrieben ist Skype in der Business Variante im Einsatz. Spricht also etwas dagegen, als Betriebsrat diesen bekannten und weit verbreiteten Dienst zu nutzen?

Ja, von Skype ist aus vielerlei Hinsicht abzuraten. Der Abschnitt zur Kritik im Wikipedia-Artikel deutet das schon an. Aber schauen wir uns die mehreren Ebenen genauer an, die gegen Skype sprechen, um die Kriterien auch für andere Anbieter noch einmal zu sammeln.

Was spricht gegen einen Anbieter wie Skype (… oder Zoom)?

An erster Stelle sei die Frage des Vertrauens genannt. Haben wir Anlass, einem Anbieter zu vertrauen oder umgekehrt Anlass, ihm nicht zu vertrauen. Im Fall von Skype gibt es jede Menge Anlässe für Misstrauen. Eine Geschichte der Datenschutzverletzungen, keine Verschlüsselung, mangelnde Datensicherheit und wir müssen dem Anbieter die Rechte einräumen, Software bei uns zu installieren. Hinzu kommt, dass die grundlegende Technologie veraltet ist. Und das Unternehmen, dem wir hier vertrauen müssten, ist zudem das gleiche, das in unseren Betrieben Betriebssysteme und Netzwerkverwaltung stellt, also die Umgebung, mit der die IT arbeitet.

Ähnlich wie im Fall des alten Platzhirsch Skype sieht es beim neuen Platzhirsch Zoom aus, der in den letzten Monaten durch den Lockdown weltweit bekannt und benutzt worden ist. Zoom baut im Gegensatz zu Skype nicht auf einer veralteten Technologie auf sondern ist auf der Höhe der Zeit und deswegen so erfolgreich. Die Leistung stimmt einfach und momentan kann kein Anbieter mit Zoom punkto Usability und Leistungsfähigkeit mithalten.

Allerdings gilt auch für Zoom eine Geschichte der Datenschutzverletzungen. Das Unternehmen wirbt zwar mit Verschlüsselung, aber die kritische Analyse von ExpertInnen zeigt immer wieder, dass die Datensicherheit mangelhaft und viele Behauptungen zur Verschlüsselung unwahr sind. Das Unternehmen hat nun auf der einen Seite einen CEO, der geschickt auf Kritik eingeht und Besserung verspricht.

Auf der anderen Seite ist das mit der Zeit als charismatisch vorgebrachte Kommunikationsstrategie entlarvt worden, die von den tatsächlichen Geschäftspraktiken ablenken soll. Es wird interessant zu betrachten sein, wie das Urteil zu Zoom in einem oder zwei Jahren ausfällt. Das Unternehmen hat mit dem stark steigenden Börsenwert auch viel zu verlieren. Vielleicht erfolgt ein Strategiewechsel zu vertrauenswürdiger Datensicherheit und zu eingehaltenem Datenschutz. Momentan sieht es danach nicht aus.

Welchen Anbietern oder Systemen für VideoCalls können wir vertrauen?

Die Arbeit & Technik Abteilung der GPA-djp hat dazu eine Checkliste veröffentlicht. Wir wollen einerseits den Datenschutz eingehalten sehen, dh. eine EU-DSGV konforme Datenschutzvereinbarung nachlesen und vertrauen können, dass die Server im EU-Raum stehen. Wir wollen zweitens von guter Datensicherheit ausgehen können, dh. vertrauen, dass die Software so gut gebaut ist, dass unsere Daten verschlüsselt übertragen werden und nicht gehackt werden. Dabei müssen wir uns in Erinnerung halten,

  • absolute Sicherheit gibt es nicht,
  • VideoCalls können aufgrund technischer Gegebenheiten nie so sicher verschlüsselt werden wie zum Beispiel Messenger-Systeme (z.B. der Signal Messenger),
  • wir können uns an den Einschätzungen von ExpertInnen orientieren, aber was als relativ sicher eingeschätzt wird, kann sich mit der Zeit ändern.

Ein paar Empfehlungen können wir, eingedenk dieser Einschränkungen, hier aktuell guten Gewissens geben. In allen Fällen handelt es sich um browserbasierte Dienste, die auf der WebRTC Technologie aufsetzen:

1. Fairmeeting. Wenn es schnell, einfach und gratis gehen soll, schlicht auf fairmeeting.net einen Namen für einen Konferenzraum eingeben, auf ‚Los‘ klicken und den Link an andere schicken. Die Videokonferenz läuft dann über die freie Software Jitsi und die ist bei fairkom auf Servern in Österreich installiert. Die Leistung kann schwanken und nicht immer mit bezahlten Varianten mithalten. Dafür gibt es neben der Jitsi-Installation für Videokonferenzen noch einige andere sehr brauchbare und vertrauenswürdige Tools. Die Bezahlvarianten sind günstig und es gibt die Gewissheit, dass bei einem Vertrag mit dem Dienstleister dieser im eigenen Land und gut erreichbar wäre.

2. Etwas speziell und eine ganz eigene Sache ist das Video Etherpad. Ebenfalls freie Software und einfach mit der Festlegung eines Raumnamens zu starten, geht es hier zuerst um ein gemeinsames Textdokument, ein Etherpad, bei dem wir aber nicht nur gemeinsam einen Texteditor und den Chat benutzen, sondern uns auch per Video sehen und unterhalten können.

3. Der norwegische Anbieter Whereby hat in den letzten Monaten einige AnhängerInnen gewinnen können, weil er glaubwürdig auf Datenschutz und -sicherheit setzt, angenehm intuitiv in der Nutzung ist und sehr gut auf mobilen Geräten funktioniert. Es handelt sich nicht um freie sondern proprietäre Software eines gewinnorientierten Anbieters. Die Beurteilungen sind durchwegs wohlwollend. Gratis nutzbar ist der Dienst, solange nicht mehr als vier Personen gleichzeitig in den Konferenzraum nutzen. Für mehr TeilnehmerInnen wird es leider teurer als bei vergleichbaren Anbietern.

4. Für die Webinare der GPA-djp rund um die Corona-Krise verwenden wir momentan den in Barcelona ansässigen Dienst DigitalSamba. Im Vergleich zu Whereby ist DigitalSamba eine Lösung, die ihre Stärken bei strukturierteren und etwas größeren Videokonferenzen hat, wo der norwegische Konkurrent eher für intuitive, spontane und mobile kleine VideoCalls geeignet ist. DigitalSamba kann kostenlos nur für eine Probeabo genutzt werden und ist danach kostenpflichtig, aber etwas preiswerter als Whereby.
(Da wir als Bildungsabteilung DigitalSamba für Webinare einsetzen, haben wir hier ein Handbuch für Vortragende, dem sich etwas mehr über die Funktionen der Plattform entnehmen lässt.)

5. Nicht im engeren Sinne ein VideoCalls Service, aber dazu nutzbar und im Kern für Betriebsratsbedürfnisse sehr gut geeignet, das ist das Cloudsystem nextcloud. Nextcloud ist wiederum freie Software und zuallererst eine empfehlenswerte Möglichkeit, als Betriebsrat unabhängig von der betrieblichen IT-Infrastruktur eine eigene „Cloud“ zu betreiben, also Dokumente des BRs abgelegt und über das Internet griffbereit zu haben. Die Nextcloud ist mehr als nur das. Die Software wird laufend um Funktionalitäten erweitert, und dabei sind viele für BRs äußerst nützlich: ein eigenes E-Mail-System, Chat, webbasiertes Office, … und eben auch ein VideoCall-System. Der Schönheitsfehler bei diesem ist, dass es punkto Usability und Leistungsfähigkeit mit den anderen Alternativen (noch) nicht mithalten kann. Wenn sich ein BR aber die Installation einer Nextcloud leistet, was durchaus Sinn macht, hat die Körperschaft damit auch ein eigenes VideoCall-System. Die Frage ist dann noch, wie leistungsstark die Server sind und bei wem man die Installation liegen hat. Eine Nextcloud-Installation lässt sich schon recht günstig und bei einigen lokalen Anbietern nutzen.

6. BigBlueButton ist Open Source Software, eigentlich sogar mehr noch Freie Software, und ein Webkonferenzsystem, das aus dem universitären Umfeld kommt. In manchen Bereichen wie der Funktionalität von Unterräumen sagt man BigBlueButton (BBB) momentan nach, am ehesten an die Leistungsfähigkeit von Zoom heranzukommen. Allerdings gibt es bei BBB nicht die Online-Plattform, auf der wir uns einfach einen Account einrichten können wie bei Whereby oder DigitalSamba. Es braucht eine Installation auf einem leistungsfähigen Server, also in der Regel einen (am besten lokalen) Anbieter, der eine BBB-Installation kostenpflichtig anbietet. Die Option BigBlueButton ist dementsprechend etwas für große BR-Körperschaften, die diesen Bedarf haben und sich das Service eines Server-Anbieters leisten können.
(BBB für Workshops nutzend, haben wir als Bildungsabteilung so wie für Samba auch für BBB ein Handbuch für Vortragende, dem Interessierte etwas mehr entnehmen können.)

Welche dieser Optionen für BetriebsrätInnen und BR-Körperschaften mehr oder weniger Sinn macht, hängt vom Kontext ab. Möglicherweise können sie alle nebeneinander für unterschiedliche Zwecke gut gebraucht werden. Unsere Empfehlung wäre: ausprobieren, Erfahrungen machen, gemeinsam darüber diskutieren und reflektieren, was ihr in welchen Zusammenhängen wie einsetzen könnt.

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3 Gedanken zu „VideoCalls im Lockdown zwischen home office und Betrieb – Teil II

  1. Pingback: VideoCalls im Lockdown zwischen home office und Betrieb – Teil I | GPA-djp Bildungsabteilung

  2. Pingback: VideoCalls im Lockdown zwischen home office und Betrieb – Teil III | GPA-djp Bildungsabteilung

  3. Pingback: Webinar-Doku: Nutzung digitaler Tools in der Betriebsratsarbeit | GPA-djp Bildungsabteilung

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