Das Staatsbudget – in Zahlen gegossene Politik (Doku)

Bild: Thomas Kreiml, CC BY-NC

Bild: Thomas Kreiml, CC BY-NC


Im Rahmen unseres Workshops zum Staatsbudget geht es um eine eingehende Beschäftigung mit den Grundlagen zur österreichischen Budgetpolitik. Neben grundsätzlichen Fragen und Zusammenhängen liegt das Interesse auf der Diskussion und Auseinandersetzung mit gewerkschaftlich und auch arbeitsrechtlich relevanten Aspekten von Steuerpolitik, Ausgaben der öffentlichen Haushalte, Staatsverschuldung, Wirtschaftswachstum und Vielem mehr. Georg Feigl, Referent für öffentliche Haushalte und europäische Wirtschaftspolitik in der Arbeiterkammer Wien und Redakteur des Blogs Arbeit & Wirtschaft, und Alexandra Strickner, Ökonomin, Obfrau von Attac Österreich und politische Koordinatorin der Allianz „Wege aus der Krise“, die seit 2010 das Zivilgesellschaftliche Zukunftsbudget erstellt, gestalten den Workshop.
Im Workshop werden wichtige Begriffe und grundlegende Konzepte rund um das Staatsbudget geklärt. Es werden die Ziele der Budgetpolitik besprochen und die Abläufe in Richtung der Budgeterstellung sowie die wesentlichen Akteure, die dabei eine Rolle spielen, behandelt. Ziel dieses eintägigen Workshops ist es letztlich nicht, dass die TeilnehmerInnen BudgetexpertInnen werden – das was eine unrealistische Herangehensweise an die Thematik. Es geht zum einen darum, grundlegende Zusammenhänge zwischen (volks-)wirtschaftlichen Entwicklungen und Steuerungsmechanismen und der Gebahrung des öffentlichen Haushalts zu erkennen. Zum anderen soll der Workshop die TeilnehmerInnen dazu befähigen, vergangene und aktuelle polit-ökonomische Geschehnisse und Entscheidungen zur Budgetpolitik einordnen und kritisch hinterfragen zu können. Zentral ist dafür das Verständnis, dass Budgetentscheidungen letztlich immer „menschengemacht“ und damit gestaltbar sind. Entgegen medial, politisch und häufig auch seitens vermeintlicher WirtschaftsexpertInnen verbreiteter Meinungen, gibt es sogenannte „ökonomischen Sachzwänge“, die keine anderen Alternativen oder Entscheidungen zulassen, nicht. Ein Naturgesetz wie das Schwerkraft müssen wir vielleicht einfach hinnehmen, Budgetentscheidungen, ungerechte Steuertarife, Spar- und Kürzungspolitiken, die uns meist unter dem Vorwand eines ausgeglichenen Staatshaushalts aufgezwungen werden, jedoch nicht! Allerdings werden solche Maßnahmen von den entsprechenden Akteuren gerne als „alternativlos“ bezeichnet, um sie vor Kritik zu immunisieren.

Partizipationsmöglichkeiten bei Budgetpolitik sind also ein wesentlicher Bestandteil unserer demokratischen Rechte, schließlich beeinflussen Budgetentscheidungen unser aller Leben. Sie sind – wie schon in der Seminarankündigung einprägsam geschrieben – „in Zahlen gegossene Politik“!

Ziele und Aufgaben der Budgetpolitik in der österreichischen Volkswirtschaft:

Was sind eigentlich die Aufgaben der Budgetpolitik oder des Staates, der wirtschaftliche Rahmenbedingungen gestaltet, allgemein? Zum einen wirkt der Staat „Ressourcen-zuweisend“. Das bedeutet, er entscheidet aktiv über die Bereitstellung öffentlicher Güter zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse  oder einzelner Interessengruppen, indem er knappe Mittel, Leistungen und Rohstoffe bestimmten Bereichen zuordnet, mit der Absicht, dass diese Mittel am Ende zu einem „wünschenswerten“ und „optimalen“ Ergebnis führen. Die Ausgestaltung dieser sogenannten Allokationsfunktion des Staates ist nicht in Stein gemeißelt und ändert je nach Staatsverständnis der jeweils Machthabenden. Überlässt man diese Möglichkeit des Eingreifens und vorgeschalteten Steuerns beispielsweise alleine privatwirtschaftlichen Unternehmungen und beschränkt staatliches Handeln im Wesentlichen nur noch auf das Sicherstellen von „fairem Wettbewerb“ und grundlegender Sicherheitsbedürfnisse, spricht man von Marktallokation. Der Staat zieht sich sozusagen aktiv ins Passive zurück – ein neoiberales Staatsverständnis, das unter der Metapher des „Nachtwächterstaats“ bekannt geworden ist.

Neben der Allokation von Ressourcen, ist der Staat auch für die Umverteilung der (Produktivitäts-)Gewinne des Wirtschaftstreibens verantwortlich. Auch diese Aufgabe kann mehr oder weniger aktiv ausgeführt werden. Im Wohlfahrtsstaat werden Einkommen und Löhne der Haushalte über die Einkommensdezile (Haushalte unterteilt in zehn Einkommensklassen) mittels progressiver Steuern für gewöhnlich stärker umverteilt, als im passiven Nachtwächterstaat. Je progressiver die Steuern, desto weniger ungleich verteilt sind die Nettoeinkommen der Haushalte (nach Steuern und Transfers) gegenüber den Bruttoeinkommen (vor Steuern und Transfers). Dass diese Umverteilung grundlegend gerechtfertigt ist ergibt sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass keine wirtschaftliche Tätigkeit wie wir sie heute kennen ohne staatliche Rahmenbedingungen, denkbar oder möglich wäre: Bildung, Gesundheit, Sicherheit etc. sind wesentliche Grundlagen, um überhaupt Produktideen und Dienstleistungen entwickeln, und organisiert in Betrieben produzieren und anbieten zu können. Der Staat bietet also den Rahmen, innerhalb dessen Unternehmen erst produktiv sein und Gewinne machen können, weshalb es auch legitim ist, dass diese zur Finanzierung des Staates beitragen.

Die Zuweisung und Umverteilung von Ressourcen soll letztlich im übergeordneten Ziel des gesamtgesellschaftlichen Wohlstands aufgehen. Dazu ist auch eine stabile Wirtschaft notwendig, die der Staat mittels aktiver Wirtschaftspolitik erhalten soll. Es kommen also noch weitere Kriterien und Aufgabenbereiche hinzu, wie zum Beispiel ein Auge zu haben auf möglichst geringe Arbeitslosigkeit, den Schutz der Umwelt, Chancengerechtigkeit bei der Beteiligung aller Menschen im Staat, hohe Lebensqualität, Preisstabilität  und auch ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Diese Liste ließe sich beliebig erweitern und hängt von gesellschaftlichen Leitbildern und herrschenden Normen ab. Das Konzept des „Magischen Vielecks der Wirtschaftspolitik“ bringt diese Idee zum Ausdruck. Es lässt sich um beliebig viele Ecken erweitern und lässt Raum für Anpassung und gesellschaftlichen Fortschritt.

magisches vieleck

Magisches Vieleck der Wirtschaftspolitik. Eigene Darstellung in Anlehnung an Feigl und Strickner.

Was bei „unserem“ magischen Vieleck fehlen könnte, darf und soll Teil der Diskussion und/oder der eigenen kritischen Reflexion der TeilnehmerInnen sein. Hier zeigt sich uns die Möglichkeit des Fortschritts und der Gestaltbarkeit von Wirtschaftspolitik. So wäre zum Beispiel Ökologie vor einigen Jahrzehnten sicher noch kein oft genannter Teil des Vielecks gewesen. Außerdem sind wir gezwungen gemeinsam darüber nachzudenken, was wir eigentlich meinen, wenn wir zum Beispiel von „fairer“ Verteilung sprechen. Was ist Lebensqualität – ein voller Bauch und körperliche Gesundheit oder wollen wir in Zeiten des Wohlstands nach mehr streben als „einfach nur“ nach der Befriedigung von Grundbedürfnissen? Wollen wir Wirtschaftswachstum um jeden Preis? Was stellen wir uns unter „stabiler Staatstätigkeit“ vor? Autoritäre Militärregime sind schließlich auch oft stabil.

Gleichzeitig erkennen wir mögliche Unvereinbarkeiten oder zumindest Punkte, die sich (noch) nicht vollends vereinen und daher unterschiedliche Interessengruppen in der Gesellschaft in Konflikt geraten lassen: Exzessives Wirtschaftswachstum geht immer auf Kosten der Umwelt und somit auch (langfristig) auf Kosten unserer Lebensqualität. Eine völlig gleiche Gesellschaft ist nicht automatisch eine faire Gesellschaft und kann mit Wirtschaftswachstum und individueller Freiheit kollidieren. Sehr ungleiche Verteilungen mit wenigen sehr hohen Einkommen und einer Masse an Niedrig- und MittelverdienerInnen ist aber ebenso ineffizient und auch sozial nicht erstrebenswert.

Wir sehen: Jeder Punkt muss eingehend definiert und diskutiert werden und ist höchst normativ. Diese Streitbarkeit und Beeinflussbarkeit spiegelt sich dann spätestens in der Ausgestaltung des Staatsbudgets wieder und bei der letztlichen Allokation und Umverteilung von Mitteln. Als GewerkschafterInnen, BetriebsrätInnen und allgemein Menschen, die sich für die Rechte und Interessen der ArbeitnehmerInnen einsetzen, bedeutet dies, dass wir uns aktiv organisieren müssen und „unsere“ Interessen, „unserere“ Auffassung vom magischen Vieleck zu Wort kommen lassen müssen.

Steuer- und Budgetpolitik sind Teil gesellschaftlicher Auseinandersetzung und spiegeln einerseits die aktuellen Leitbilder eines Staates wider, andererseits auch die Durchsetzungskraft bestimmter Interessengruppen. Budgetpolitik ist also vor allem auch mit Machtfragen verbunden: wer hat die ökonomischen und politischen Möglichkeiten seine/ihre Bedürfnisse zu stillen und Interessen durchzusetzen?

Budgetpolitische Zielsetzungen:  BMF vs. AK und Gewerkschaften

An dieser Stelle kommen Gewerkschaften und die Arbeiterkammer ins Spiel. Sie agieren logischerweise im Interesse der ArbeiternehmerInnen. Hohe Löhne und geringe Arbeitslosigkeit, faire Arbeitsbedingungen und arbeitnehmerInnenfreundliche Gesetzesregelungen, Verteilungsgerechtigkeit, Solidarität und nicht zuletzt gesellschaftlicher Fortschritt, der die Vorzüge technologischen Fortschritts allen Menschen zu Gute kommen lässt – all dies muss immer wieder aktiv zu Gehör gebracht werden, damit öffentliche Güter und Dienstleistungen und soziale Auffangnetze erhalten bleiben. Gerade in Zeiten der vermeintlich „krisenbedingten“ Spar-  und Kürzungspolitik ist dies wichtiger denn je.

Dies wird deutlich, wenn man sich die Budgetpläne der letzten Jahre anschaut, die im Wesentlichen auf konsolidierte Haushalte, Sparen, Nulldefizit, Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsförderung und unternehmerInnen-freundliche Politik setzten.

Die österreichische Volkswirtschaft im europäischen Rahmen

Entwicklungspfade und Möglichkeiten für Budget-  und Wirtschaftspolitik Österreichs müssen zur sinnvollen Gesamtschau auch im Kontext der EU beziehungsweise Währungsunion gesehen werden. Wir sprechen im Workshop deshalb auch über den europäischen Referenzrahmen bei Budgetentscheidungen, das heißt über die EU-Maastricht-Kriterien beziehungsweise den Stabilitäts- und Währungspakt. Die Maastricht-Kriterien – auch Konvergenzkriterien genannt – sind makroökonomische Richtwerte, die Länder erfüllen müssen, wenn sie der EU beziehungsweise Währungsunion beitreten möchten. Diese sind:

  • Preisniveau-Stabilität: Die Inflation darf nicht mehr als 1,5% über der der drei preisstabilsten Mitgliedsstaaten liegen
  • Schuldenstand: Darf nicht mehr als 60% des Bruttoinlandsprodukts der jeweiligen Volkswirtschaft betragen
  • Neuverschuldung: Das Haushaltsdefizit darf um nicht mehr als 3% jährlich steigen (und nicht über die vorher genannte 60%-Schwelle)
  • Die jeweilige Landeswährung vor dem Euro darf seit mindestens zwei Jahren nicht mehr abgewertet worden sein, muss also einen stabilen Wechselkurs aufweisen.

Um sicherzustellen, dass Mitgliedstaaten nach dem Abstreifen der ökonomischen Daumenschrauben durch den Beitritt ihre Haushaltsdisziplin aufrecht erhalten, wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt gegründet. Bis auf jene Punkte, die die Währungs- und Preisstabilität betreffen – dies ist nun Aufgabe der EZB – übernimmt der Pakt die Maastricht-Kriterien, die nun auch weiterhin für alle Staaten nach dem Beitritt zur EU gelten.

Budgetpolitisch interessant ist hierbei, dass die meisten europäischen Staaten im Laufe der Finanzkrise die obigen Grenzwerte teilweise um ein Vielfaches überschritten. Vor allem für Konjunktur- und Bankenpakete wurden Milliarden ausgegeben. Geld, das an anderen Stellen gekürzt wurde und – weil das nicht ansatzweise reichte – in Form von Neuverschuldung aufgebracht werden musste. So wurde eine im unregulierten Finanzsektor von Spekulation verursachte Krise plötzlich zur „Staats- und Schuldenkrise“ umgedeutet, was letztlich der Realwirtschaft, den kleinen und Mittelständigen Betrieben und schlussendlich der ArbeiterInnenschaft zum Verhängnis wurde. Über diese Tatsache kann auch das Konzept des „strukturellen Defizits“ nicht hinwegtäuschen: Das strukturelle Defizit wurde in die Debatte eingeführt, um die unvermeidbare Verschuldung der Staaten anhand der „außergewöhnlichen“ Umstände zu relativieren. Einmalausgaben für z.B. Bankenpakete oder konjunkturelle Entwicklungen, die nach den Maastricht-Kriterien in die Berechnung eingehen, werden beim strukturellen Defizit herausgenommen, es ist also quasi die um die Krise bereinigte Verschuldung der Staaten.

Gender-Budgeting

Auch haben wir im Workshop geschlechterspezifische Blickwinkel auf Budgetpolitik eingenommen und über Aspekte wie Lohn- und Ressourcendiskriminierung von Frauen gesprochen. Dass  Budgetpolitik keineswegs neutral ist, nicht allen gleich nützt und nicht vom Himmel fällt, sollte bereits deutlich geworden sein. Und genauso wenig ist Budgetpolitik geschlechtsneutral. Strickner und Feigl eröffnen hierbei im Laufe des Workshops neue Perspektiven und stoßen zum Nachdenken und Diskutieren an, inwiefern geschlechtssensible beziehungsweise geschlechtsneutrale Budgetpolitik betrieben werden könnte, um die Gleichstellung von Mann und Frau weiter voranzutreiben. Dazu muss man die Frage stellen, wem welche Politiken und Geldströme im Endeffekt nützen, welchen (nachgereihten) Effekt bestimmte Steuern haben und welche Anreize sie aussenden. Diskriminierung muss nicht immer willentlich geschehen, sondern kann sich auch aus Unachtsamkeit ergeben und sich im Nachhinein als ungewollter Nebeneffekt herausstellen. Solche Externalitäten müssen erkannt und beseitigt werden. Dennoch kann leider nicht von der Hand gewiesen werden, dass viele Budgetstrukturen und Tätigkeiten der öffentlichen Hand noch immer einem Gesellschaftsbild verhaftet sind, dass Frauen in die Haushaltsarbeit oder vermehrt in prekäre Arbeitsverhältnisse im sozialen Dienstleistungssektor und der Versorgungsökonomie drängt und sie daher von ihren PartnerInnen (wenn vorhanden) abhängig macht – sei es durch mangelhafte Kinderbetreuungsangebote oder Bildungs- und Berufszweige, die Frauen tendenziell eher verschlossen gegenüber stehen (gehobenes Management, MINT-Fächer- und Berufe).

Öffentliche Ausgaben in Österreich

Die Ausgaben aus öffentlicher Hand machen in Österreich die letzten Dekaden etwa 50-55% des BIP aus. Damit liegt Österreich über dem EU- und OECD-Durchschnitt. Doch wofür gibt der Staat „sein“ Geld aus? Ein Großteil des Geldes fließt, wie zu erwarten, in Pensionen, soziale Sicherungssysteme und Gesundheit.

2014, in Mrd €, Summe 173 Mrd €. Nach Feigl und Strickner (Folie 23). Datenquelle Statistik Austria 2015

Staatsausgaben in Österreich: 2014, in Mrd €, Summe 173 Mrd €. Nach Feigl und Strickner (Folie 23). Datenquelle Statistik Austria 2015

Vor allem Pensionen sind in den letzten Jahren ein großes Thema  geworden, da ihre Finanzierung mittels der herkömmlichen Einzahlungssysteme immer schwieriger wird. Dieses Phänomen lässt sich, derzeit in den meisten (westlichen) Industrienationen beobachten, relativ gesehen gibt Österreich für seine PensionistInnen jedoch 2,1% mehr aus als der EU-Durchschnitt. Wie zu erwarten, stieg der Pensionsanteil an den Staatsausgaben über die Jahre hinweg – Stichwort „Alternde Gesellschaft“.

Ebenso werden im Workshop besprochen die Budgetgliederung von Bund, Ländern und Gemeinden in Österreich sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Zustandekommen des Budgetplans und sein Weg durch die verschiedenen mitbestimmenden Organe und Akteure (Rechnungshof, Parlament, Regierung,…)

Ausgaben und Steuerpolitk

abgabenquote

Abgabenquote Österreich: 2014, in Mrd. €, ingesamt 165 Mrd. €, nach Feigl und Strickner. Datenquelle: Statistik Austria

Doch wie viel Prozent der Wirtschaftsleistung gehen eigentlich über Steuern, Gebühren und Beitrage an die öffentliche Hand zur Finanzierung öffentlicher Güter und Sozialleistungen? Die Abgabenquote für Österreich zeigt, dass sich der Großteil der Staatseinnahmen aus Sozialbeiträgen und Lohn- und Einkommenssteuern zusammensetzt. Einnahmen durch Steuern auf Kapital und Vermögen nehmen einen geringeren Anteil ein. Die Abgabenquote spiegelt in gewissermaßen die Möglichkeiten staatlicher Leistung wieder und auf welchen Mitteln diese Möglichkeiten fußen. Senkungen oder Einbruch der Abgaben und Steuern sind – wenn alles andere unverändert bleibt – somit nur durch Leistungskürzungen oder Neuschulden finanzierbar. In Zeiten von „Schuldenkrise“ und unbedingtem Sparkurs, bleibt hier nurmehr eine Option übrig, siehe Griechenland…

Steuern sind also einerseits Einnahmequelle für den Staat zur Finanzierung seiner Organe, andererseits DAS wirtschaftspolitische Instrument, das Konjunkturpolitik und Umverteilungsmaßnahmen erst möglich macht. Forderungen nach relativen Steuersenkungen für einkommensstarke und vermögende Haushalte oder auf Kapital um „unternehmerische Anreize“ nicht „zu ersticken“, sollten also aufhorchen lassen.

abgabenbelastung

Abgabenbelastung der österreichischen Haushaltsdezile: Quelle: WIFO 2009. *Verteilung nach Bruttomarkteinkommen der nicht-selbständigen Haushalte 2000. Mittleres Einkommen 2.556 Euro. Unterstes Dezil 859 Euro, oberstes >5.772 (inkl. der zwischenzeitlichen Inflation ergibt das für 2015 folgende Vergleichswerte: 3.438 bzw. 1.155 und 7.763 Euro). Nach Feigl und Strickner.

Doch wie sehr wirkt Umverteilung, wodurch und in welche Richtung? Wie ist die Steuerlast verteilt? Um das zu untersuchen, werden Haushalte wie erwähnt in Einkommensdezile unterteilt, deren Abgabenbelastung man dann im relativen Vergleich zu den anderen analysiert. Tendenziell lässt sich sagen, dass alle Dezile zwischen 33 und 40% ihres Brutto-Haushaltseinkommen für Steuern und Abgaben aufbringen müssen. Die ärmsten 10% der Haushalte – also das unterste Dezil – haben hierbei eine relative Abgabenbelastung fast so hoch wie die der oberen Dezile, also der reichsten Haushalte. Jedoch ändert sich das Steueraufkommen: Je geringer das Haushaltseinkommen, desto höher ist der Anteil an indirekt gezahlten Steuern am gesamten Einkommen (Lebensmittel, Heiz- und Kraftstoffe, Mehrwertsteuer, Dinge für die Arme einen großen Teil ihres Einkommens ausgeben müssen). Mit steigendem Einkommen sinkt dieser Anteil und es steigt die Lohnsteuer, die – im Gegensatz zu indirekten Steuern – progressiv ist. Die Sozialversicherungsbeiträge sind fast gar nicht progressiv, werden ab dem zehnten Dezil sogar regressiv, das heißt die reichsten Haushalte müssen einen geringeren Anteil ihres Einkommens für SV-Beiträge aufbringen, als die restlichen Einkommensdezile.

Klassischerweise wird besonders unselbständige Arbeit stark besteuert, der Kapitalstock, Kapitalrendite und Vermögen nur schwach. Österreich besteuert die ArbeiternehmerInnen im EU-Vergleich überdurchschnittlich und umgekehrt Kapitalerträge unterdurchschnittlich. Gleichzeitig kommt den ArbeitnehmerInnen aber nur ein geringer Anteil des Mehrwerts eines Wirtschaftsjahres in Form von Lohnzuwächsen zugute. Im Zeitraum 2000-2008 stiegen so zum einen die Gewinn- und Kapitaleinkünfte um 60%, die Löhne jedoch nur um 30%. Auf der anderen Seite verzeichnete der Staat für diesen Zeitraum nur 44% mehr Steuern durch Gewinn- und Unternehmenssteuern, jedoch 47% mehr durch Lohnsteuern.

Gretchenfrage: „Sag‘, wie hast du’s mit den Schulden?“

Auch diskutieren wir im Workshop Staatsverschuldung und Sparkurse. Ziel ist es, kritisch hinterfragen zu können, ob Schulden immer „böse“ und Sparen immer „gut“ ist, und ob die hohe Staatsverschuldung denn wirklich ein so großes Problem ist, wie suggeriert wird, beziehungsweise inwiefern sie sogar schuld an der Krise haben soll. Ab wann sind Schulden nicht mehr stemmbar? Ab wann werden Zinsen zum Problem und in welchem Ausmaß und für was sind Schulden also vertretbar? Sollte oder kann jeder Staat – relativ zu seinem BIP – gleich viel Schulden machen? Und wann ist Sparen sinnvoll? Schließlich kann übermäßiges Sparen die Wirtschafts bremsen, da dadurch die Konsumausgaben zurückgehen. Durch diese Schwächung der Nachfrage könnte auch wiederum die Produktion und Investitionen zurückgehen. Das Wirtschaftswachstum geht dadurch zurück, Arbeitslosigkeit entsteht, was in letzter Instanz wieder das Staatsbudget belastet.

Beim Thema Schulden kommen wir natürlich nicht daran vorbei darüber zu reden, wer Schulden verursacht beziehungsweise für wen oder was Schulden gemacht werden. Daher diskutieren wir im Workshop gemeinsam über die Wirtschaftskrise seit 2009 und wie für Bankenpakete Unmengen an Geldern aufgebracht wurden, während für Sozialausgaben, öffentliche Güter, Bildung und Gesundheit oder aktuell für Geflüchtete kein Geld da sein soll. Wir denken gemeinsam über alternative Erklärungsmodelle für die Krise nach und ob strenge Austeritätspolitik auf Kosten der Schwachen und Armen der Gesellschaft wirklich einen Weg aus der Krise darstellen kann.

Zusammenfassung – Was wir aus dem Workshop mitnehmen „sollen“:

Hauptanliegen des Workshop ist es gewesen, Bewusstsein für Folgendes zu schaffen:

  • Budget- und Steuerpolitik sind DAS Stellrad nationaler Wirtschaftspolitik
  • Es geht uns alle an und wirkt bis in unser täglich‘ Leben
  • Budgetentscheidungen sind beeinflussbar: Sie schweben nicht im luftleeren Raum, sind Ausdruck von Machtfragen und gesellschaftlichen Interessen
  • Sie sind wandelbar und Abbild der zeitgenössischen Moralvorstellung und der Entwicklung der Gesellschaft mit all ihren normativen und institutionellen Arrangements
  • Partizipation bei Budgetentscheidungen ist eines von vielen demokratischen Fundamenten und bietet die Möglichkeit der Mitbestimmung darüber, wie wir Gesellschaft und gelebte Solidarität verstanden wissen wollen
  • Sparpolitik, Kürzungen von Sozialleistungen und ungerechte Steuerpolitik entspringen keinen naturwissenschaftlichen Sachzwängen und sind kein Ausdruck von wissenschaftlicher Objektivität oder gar Neutralität und damit auch nicht alternativlos

 

Unterlagen und weiterführende Informationen

  • Hier finden Sie die Präsentation der Referentin bzw. des Referenten als pdf-Datei.
  • volkswirtschaftliche Begriffe und Definitionen können online im Galber-Wirtschaftslexikon nachgeschlagen werden oder im sehr ausführlichen Klassiker „Lexikon der Volkswirtschaftichen Gesamtrechnung“ von Dieter Brümmerhof.
  • Interessante weiterführende Artikel zum Thema im aktuellen Falter Ökonomie, der nun auch online abrufbar ist. Mit spannenden Beiträgen zum Beispiel von Kurt Bayer zum Bundesbudget 2016, vom Referenten Georg Feigl über öffentlich Investitionen der EU oder von Stephan Schulmeister, einem der wenigen keynesianischen Nationalökonomen Österreichs.
  • Video eines Vortrags von Dr. Stephan Schulmeister zum Thema Europa in der Krise und zu vielen anderen Aspekten über die wir im Workshop diskutiert haben 
  • „Hands on Data“: Wer einmal in die Verlegenheit kommen sollte allerlei ökonomische Daten und Zeitreihen zu brauchen, findet mit ein wenig Geduld fast alles bei Statistik Austria oder für den europäischen Vergleich bei Eurostat. Auch auf den Webseiten vom Wifo, der OECD finden sich immer allerhand Informationen und Datenmaterial.
  • Wer einen direkten Blick ins Budget 2016 werfen will, kann dies hier auf der Seite des BMF tun
  • Interessante Beiträge rund zum Thema auch auf dem blog.arbeit-wirtschaft.at, zum Beispiel mit einem Artikel von Georg Feigl zu Budgetpolitik und Arbeitslosigkeit oder zu Lebensqualität, Wohlstand und Umwelt von Feigl und Florian Wukovitsch
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