Die Wahrheit über die Krise in der Verstaatlichten in den 80er Jahren

Es ist unglaublich welche Halbwahrheiten und politische Einseitigkeiten die Oberösterreichischen Nachrichten sich erlauben können.
In den OÖ Nachrichten lief eine große Serie über die „Krise der Verstaatlichten Industrie“ in den 80er Jahren. Professor Roman Sandgruber hat in einem Beitrag Politik und Einfluss der Betriebsräte mehr oder weniger offen für diese Krise verantwortlich gemacht. Völlig verschwiegen hat er, dass wesentlicher Hintergrund die internationale Krise der Eisen- und Stahlindustrie war und die im internationalen Vergleich bessere Entwicklung der österreichischen Unternehmen nicht unwesentlich auf die politischen Entscheidungen zurückzuführen ist.
Manfred Eder hat mit einem sehr informativen Leserbrief auf Sandgrubers Artikel reagiert.
Diesen Text, sowie einen Tagblattartikel aus dem Jahr 1981, hier im Anhang.

Sehr geehrter Her Professor Sandgruber,

In ihrem Gastkommentar vom 17.2. 2011 (OÖN Serie über die Krise der verstaatlichten Industrie vor 25 Jahren) schreiben sie unter dem Untertitel „Die Wurzeln der Krise“ unter anderem:

„Das Unheil begann, als die Politik anfing, maroden und strukturell oder operativ gefährdeten Unternehmen aus Ost- und Südösterreich durch Fusionen mit gesunden Betrieben aus Oberösterreich wieder auf die Beine helfen zu wollen und alle betriebswirtschaftlichen Überlegungen dem Gesichtspunkt der Beschäftigungs- und Umsatzmaximierung unterzuordnen.“
Diese Fusion hat den oberösterreichischen Standort der Eisen- und Stahlindustrie belastet, war aber meines Erachtens aus Sicht des Eigentümers, der Republik Österreich, absolut sinnvoll und notwendig. Man braucht kein Wirtschaftsexperte zu sein um nachvollziehen zu können, dass zwei ohne gemeinsame Führung und Abstimmung im gleichen Marktsegment agierende verstaatlichte Unternehmen betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich nachteilig sind. Ohne die Fusion hätten die steirischen Standorte die spätere Krise höchstwahrscheinlich nicht überlebt und auch der voestalpine Konzern würde heute nicht so erfolgreich sein .

Mein zentraler Punkt der Kritik an ihrer „Wurzel der Krise“- Analyse und der gesamten OÖN – Serie ist aber das völlige Verschweigen der internationalen Rahmenbedingungen der Entwicklung der Eisen – und Stahlindustrie. Damit wird die Grundlage gelegt, dass die historische Wahrheit in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. In ihrem Beitrag ist es die von Sozialdemokraten bestimmte Regierungspolitik, in anderen Beiträgen der Einfluss der Betriebsräte, die für die Verluste und die Krise dieser Unternehmen mehr oder weniger offen verantwortlich gemacht werden.

  • Wahr ist hingegen, dass die europäische und auch die US- Stahlindustrie, und zwar die verstaatlichte und die private, bereits in den 70er Jahren mit einer schweren Krise zu kämpfen hatte. Die Ursachen lagen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Konjunktureinbrüche, strukturelle Änderungen in der Nachfrage, Aufbau von (Über)Kapazitäten). Diese Krise ist in den 80er Jahren noch vehementer zu Tage getreten.
  • Wahr ist, dass die Auswirkungen dieser Krise die meisten Standorte der Eisen- und Stahlindustrie viel härter getroffen hat als die österreichischen. Ganze Standorte wurden ausradiert, Regionen wurden zu Armenhäusern Europas mit Massenarbeitslosigkeit und Wirtschaftsschrumpfung. Die Folgen dieser Krise können noch heute festgestellt und besichtigt werden. Dies ist Ihnen als Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte sicher besser bekannt als mir.
  • Wahr ist, dass diese im internationalen Vergleich bessere Entwicklung der österreichischen Unternehmen nicht unwesentlich auf die politischen Entscheidungen zurückzuführen ist. Dass es heute die auch von Ihnen erwähnten modernen, international erfolgreichen Unternehmen („Phönix aus der Asche“) auf den alten Standorten gibt ist ein Verdienst der Politik und der, oft zitierten, tüchtigen Arbeitnehmer, Ingenieure und Manager.
  • Wahr ist, dass die für die Absicherung der Standorte aufgewendeten Subventionen sowohl in Relation zur Produktion als auch je Beschäftigten deutlich unter den internationalen Werten lagen.

Die Rettung der österreichischen Eisen- und Stahlindustrie ist in Wahrheit eine Erfolgsgeschichte einer aktiven Wirtschaftspolitik, die aus parteipolitischen und ideologischen Gründen in deren Gegenteil verkehrt wird.

20110221144312593 – Artikel aus dem Tagblatt 1981

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Über Werner Drizhal

Den Lehrberuf "Elektromechaniker für Starkstrom" in der AMAG-Ranshofen erlernt. Als Jugendvertrauensratsvorsitzenden zum ÖGB-Oberösterreich als Jugendsekretär gewechselt. Nach Absolvierung der Sozialakademie als ÖGB-Bezirkssekretär für Linz-Land gearbeitet. 1996 bis 1999 Mitglied eines OE-Teams der ÖGB-Zentrale, wo ich mich mit Organisationsentwicklung der ÖGB-Bezirkssekretariate und Mitwirkungsfragen von FunktionärInnen in der Gremienarbeit beschäftigte. 1999 in die ÖGB-Zentrale als Personalentwickler gewechselt. Hauptverantwortlich für die Einführung von MitarbeiterInnengesprächen im ÖGB. Umsetzung von professionellen Personalinstrumenten in der ÖGB-Zentrale. Ausbildung in systemischen Coaching und Erlebnispädagogik absolviert. 2007 Wechsel in die Bildungsabteilung der GPA-djp. Zur Zeit Leiter des Geschäftsbereichs Bildung - Gewerkschafts- und Personalentwicklung in der GPA-djp.

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