Neue Trends in der Erwachsenenbildung

Im Rahmen der Sitzung des AK-ÖGB-Bildungsrates am 29. April 2008 war Dr. Elke Gruber eingeladen zu neuen Lernkulturen und neuen Lernwelten einen Ausblick zu geben.
Zur Einleitung schilderte sie, dass in der Bildungsentwicklung für die Zukunft zur Zeit ein Perspektivenwechsel statt findet. Von der bisherigen Form der Erwachsenenbildung über die Weiterbildung bis zum Lebenslangen Lernen. Drei Gründe seien dafür ausschlaggebend:

  • Lebenslanges Lernen als Biographisierung des Lernen – sie kommt vor allem durch die Ausdehnung des Lernens auf den gesamten Lebenszyklus zum Ausdruck – Stichwort: der Mensch ist lernfähig bis ins hohe Alter.
  • Lernen als Querschnittsaufgabe in einer systemischen Sicht – Lernen bleibt nicht mehr auf Erwachsene und Erwachsenenbildungsinstitutionen beschränkt, sondern Lernen wird zum Prinzip vieler Institutionen – Stichworte: lernende Organisation, lernende Region etc.
  • Lernen als breites, mehrdimensionales Geschehen – hier wird an die ursprünglich weite Definition von lebensbegleitendem Lernen über eine reine ökonomische Anpassung hinaus angeknüpft – Stichworte: Civic Education, soziokulturelle Bildung etc.


Auf Basis von Schuetze/Sawano/Fraiz (2004) differenziert  sie vier Modelle des lebenslangen Lernens:

  1. ein emanzipatorisches Modell, in dessen Mittelpunkt die Erhöhung von Teilhabe- und Lebenschancen durch lebenslanges Lernen steht;
  2. ein traditionelles, kulturelles Modell, in dem lebenslanges Lernen vor allem der Selbstentwicklung und –verwirklichung dient;
  3. ein post-modernes Modell, das lebenslanges Lernen als zeitgemäßes Lernsystem modernisierungsintensiver Gesellschaften sieht;
  4. der Humankapitalansatz, der die Anpassung oder Erneuerung der beruflichen Qualifikationen als funktionales Erfordernis hervorhebt

 In der Diskussion kritisierten wird an den bisherigen Strategien zum Lebenslangen (Lebensbegleitenden) Lernen, dass hier vor allem ökonomische Bedürfnissse befriedigt werden und es um die Vermittlung von „funktionallen Wissen“ geht. Bildung im Sinne von Bewusstseinsentwicklung oder der Entwicklung menschlicher Kreativität (Musik, Kunst, etc..) steht im Hintergrund.
Emanzipatorische Bildung, die die Menschen befähigt am gesellschaftlichen Leben mitzuwirken und mitzuentscheiden ist in Wirklichkeit ein Minderheitenprogramm. Bereits Victor Adler meinte Bildung soll die Menschen zu „LenkerInnen“ dieser Gesellschaft zu befähigen. Eine spannende Frage blieb offen inwieweit wir als Gewerkschaftsbewegung den emanzipatorischen Bildungsansatz forcieren oder doch mehr funktionales Wissen vermitteln.

Was ist nun Lebenslanges Lernen – sind das die „Silver Surfers“ – die Omas und Opas am Laptop oder „Gerneration 50 Aktiv“ oder die Schlagworte „Jüngere lernen von den Älteren“. Elke Gruber präsentierte eine Definition der (Bund-Länder-Kommission 2004), die Lebenslanges Lernen folgendes impliziert: „alles formale, nicht-formale und informelle Lernen an verschiedenen Lernorten von der frühen Kindheit bis einschließlich der Phase des Ruhestandes.“

 Sie sieht fünf Ebenen der Modernisierung durch Flexibilisierung von Bildung und Weiterbildung:

1. Ebene: Flexibilisierung der Struktur – Entgrenzung von Bildungs- und Weiterbildungsprozessen
2. Ebene: Flexibilisierung der Abschlüsse – Anerkennung von nonformalem und informellen Wissen
3. Ebene: Flexibilisierung der Curricula und der Lernorganisation – Modularisierung
4. Ebene: Flexibilisierung der Inhalte – Schlüsselqualifikationen und Kompetenzansatz
5. Ebene: Flexibilisierung auf der Ebene der Methodik/Didaktik – selbstorganisiertes / selbstgesteuertes Lernen

Besonders interessant sind für die gewerkschaftliche Bildung die Schlüsselkompetenzen, die Oskar Negt im Rahmen eines Socrates Projekts herausgearbeitet hat.

  • Identitätskompetenz – als Umgang mit bedrohten und gebrochenen Identitäten
  • ökologische Kompetenz – als einen pfleglichen Umgang mit Menschen, Dingen und der Natur
  • technologische Kompetenz – als ein Begreifen gesellschaftlicher Wirkungen von Technik und als Entwicklung von Unterscheidungvermögen
  • historische Kompetenz – als Erinnerungs- und Utopiefähigkeit
  • Gerechtigkeitskompetenz – als eine Sensibiltät für Enteignungsverfahren, für Recht und Unrecht, für Gleichheit und Ungleicheit
  • Ökonomische Kompetenz – „Wie der Markt funktioniert, was seine Gesetze sind, ist der Lerngegenstand, der heute not tut“, weil die „Uberstülpung der Gesellschaft durch betriebswirtschaftlichen Imperialismus“ volkswirtschaftliche Sichtweisen „aufgezehrt“ habe.

Spannend an anderer Stelle, was wir unter Kompetenz verstehen. Für mich ist Kompetenz die Verbindung von Fachwissen (Faktenwissen) mit den eigenen Wertvorstellungen, dass zu bestimmten zielgerichteten Handeln führt.

Weiter in der Diskussion bzw. im Vortrag mit Elke Gruber – ihr Fazit und Ausblick bei der pädagogischen Ebene von Bildung ist

1. Grundbildung – Allgemeinbildung
2. Fachliche Kompetenz – „Employability“
3. Handlungsfähigkeit – Gestaltungsfähigkeit
4. Reflexionsfähigkeit – Orientierung
5. Identitätsstiftung – Sinn finden
6. einen Platz in der Gesellschaft finden – Demokratiefähigkeit

 Bei einem anderen Vortrag sagte Elke Gruber in ihrem Schlussplädoyer : „Bildung muss fesseln. Sie muss neugierig machen, sie muss uns Freude bereiten und eine tiefgehende Befriedigung erzeugen. Nur dann „wirkt“ Bildung auch, nur dann kann sie auch orientieren und uns qualifizieren – für das Leben und für den Arbeitsmarkt. Sie kann uns aber auch unterhalten – und zwar nachhaltiger als so manch andere Beschäftigung. Nun könnten Sie einwenden, dass dies nur auf wenige Menschen und eine bestimmte Art von Bildung zutrifft, für Leistungswissen, was wir häufig für den Beruf brauchen, vielfach nicht. Dies bezweifle ich grundsätzlich: Denn erstens, – ich folge hier Hartmut von Hentig (1996) –, ist jeder Mensch der Bildung bedürftig und fähig und zweitens, alles ist bildend – nicht nur die Beschäftigung mit den Kulturgütern, sondern die Auseinandersetzung mit den Dingen, Prozessen unserer Welt und sich selbst.

Ich denke passend für unsere abschließende Diskussion.

Ein Vortrag von Dr. Elke Gruber
Zwischen Erwachsenenbildung, Weiterbildung und lebensbegleitendem Lernen – Ansichten zur aktuellen Lerngesellschaft – (Vortrag „Tag der Erwachsenenbildung“ 30. November 2005, BH St. Martin).
Dargestellt in den Retzhof-News.

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Über Werner Drizhal

Den Lehrberuf "Elektromechaniker für Starkstrom" in der AMAG-Ranshofen erlernt. Als Jugendvertrauensratsvorsitzenden zum ÖGB-Oberösterreich als Jugendsekretär gewechselt. Nach Absolvierung der Sozialakademie als ÖGB-Bezirkssekretär für Linz-Land gearbeitet. 1996 bis 1999 Mitglied eines OE-Teams der ÖGB-Zentrale, wo ich mich mit Organisationsentwicklung der ÖGB-Bezirkssekretariate und Mitwirkungsfragen von FunktionärInnen in der Gremienarbeit beschäftigte. 1999 in die ÖGB-Zentrale als Personalentwickler gewechselt. Hauptverantwortlich für die Einführung von MitarbeiterInnengesprächen im ÖGB. Umsetzung von professionellen Personalinstrumenten in der ÖGB-Zentrale. Ausbildung in systemischen Coaching und Erlebnispädagogik absolviert. 2007 Wechsel in die Bildungsabteilung der GPA-djp. Zur Zeit Leiter des Geschäftsbereichs Bildung - Gewerkschafts- und Personalentwicklung in der GPA-djp.

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